MarionMarion's Opernkritik
Opernhaus Köln: Rheingold

von Marion Wolff

 



Richard Wagner: Rheingold

Immer am Donnerstag habe ich meinen freien Tag. Da gehe ich dann, wie es sich für eine gute Mutter und Gattin gehört, meinen hausfraulichen Pflichten nach. Und damit der Putzlappen auch gut in der Hand liegt, höre ich dabei meistens Radio. Ausgerechnet am letzten Donnerstag stellte irgend so ein Schlagerfuzzi in WDR4 die höchstbrisante Frage "Warum ist es am Rhein so schön?" Diese Frage stellte eine wahre Herausforderung an meinen Geist. Da musste ich erst Mal schwer überlegen. Gerade war mit eine wirklich brillante Antwort eingefallen, doch bevor ich meine Idee artikulieren konnte, klingelte plötzlich das Telefon. Am anderen Ende meldete sich meine Freundin, die Opernbesessene. "Warum ist es am Rhein so schön?" brüllte ich ihr in den Hörer entgegen. "Wegen Robert Carsen und den Strafgefangenen aus Euskirchen!" tönte es nicht minder leise zurück. "Ist dein neuer Lover Gefängnisdirektor?" fragte ich und ließ vor Erstaunen fast meinen Wischmopp fallen. "Nein, Robert Carsen ist Opernregisseur und inszeniert Richard Wagners "Rheingold" im Kölner Opernhaus." Das hätte ich mir gleich denken können, ein Opernfreggel, was sonst. "Und da willst Du mich jetzt in so eine Vorstellung schleppen, hab ich Recht? Richard Wagner, sagst du, ist das der Typ mit der Strasse am Rudolfplatz?" "Nein, das ist der Typ mit der Villa und dem Theater in Bayreuth," kläffte meine Freundin mich an. Ich konnte ihre schmerzverzerrte Grimasse förmlich vor mir sehen. Fast sah es so aus, als hätte sich sogar mein Telefonhörer leicht gekrümmt. "Die halten mich für doof!" Diese Erkenntnis traf mich wie ein Hammerschlag. Jetzt war Angriff die beste Verteidigung.

"Überzeugt. Wann soll die Party steigen?" "Dienstag Abend."

Damit Muttern nicht wieder dasteht wie Pik Sieben, erst Mal ab ins Internet. Ja, selbst bis zu mir ist das Neue Medium schon vorgedrungen. Beim Projekt Gutenberg hab ich mich dann schlau gemacht, worum es in der Geschichte überhaupt geht.

Dermaßen gut vorbereitet und – Dank der neuen Brigitte-Diät – wieder im kleinen Schwarzen, saß ich dann Dienstag Abend mit meiner Freundin im 2. Parkett des Kölner Opernhauses. Wie gehabt, noch Mal kräftig abhusten, dann ein letztes Kamell in die Backentasche und Vorhang auf. Und dann, was glauben Sie, schon wieder diese Nebelmaschine, genau wie bei Aida und dem Freischütz damals. Da latscht dann irgend so ein Typ quer durchs Bild und wirft irgendwelche Sachen weg. Der Nebel legt sich und da sitzen drei Weiber zwischen jede Menge weggeworfenem Schrott. Die sehen aus, als ob sie sich waschen, ziemlich aussichtslos – bei all dem Müll drum herum. Das soll also der Rhein sein, an dem es ja vor allem wegen der Mädchen so schön sein soll. Kann ich jetzt nicht so direkt bestätigen. Naja, jedenfalls wird die obere oder untere Wasserbehörde da trotz Kölner Klüngel die Augen nicht zudrücken dürfen. Was für eine Sauerei. Oder ob es sich hier jetzt um das Rheingold handeln soll, bei den Müllgebühren wäre das ja eine durchaus denkbare Möglichkeit. Überhaupt hat ja die ganze Story vom Rheingold mit Lügen und Betrügen, mit Pfusch am Bau und an der Umwelt zu tun. Die eigentliche Story dreht sich – wie so oft im Leben – allerdings um Macht. Hier sogar um Allmacht. Göttervater Wotan braucht dringend neue Statussymbole. Also müssen Prunkbauten her. Damit das alles schnell geht, hat Wotan die Riesen Fasolt und Fafner angeheuert. Die klotzen rein, was das Zeug hält. Aber ob das alles so seine Richtigkeit hat, von wegen der Statik und so.?

Egal, Wotan hat den beiden Bauriesen für die Renovierung von Walhalla seine Kollegin Freia, Göttin der ewigen Jugend versprochen. Ne denkbar schlechte Idee, brauchen doch die Götter gerade Freia am dringendsten. Denn nur die weiß, wie man die Äpfel vom Baum der Jugend richtig pflegt. Die Äpfel haben die Götter nötig, denn nur solange sie immer wieder davon essen, bleiben sie jung. Und jetzt soll die Freia ins Baugewerbe einheiraten. Ist mal wieder typisch, die Chefs denken nur in Dimensionen von der Größe eines Untertellers – von einer Mokkatasse, versteht sich. Ja, jetzt muss sich Wotan aber ganz schnell was einfallen lassen. Sein schlauer Berater Loge weiß da auch schon einen Ausweg: Der Nibelungenchef Alberich, so ein Unterweltler, besitzt einen Ring, der seinem Träger unendliche Macht verleiht. Und genau diesen Ring wollen Wotan und Loge dem Alberich jetzt abjagen.

Doch dieser Alberich ist ein ziemlich gewiefter Typ. Da er ja diesen magischen Ring besitzt, ist es für ihn nicht schwer, sich ein herrliches Imperium aufzubauen. Jede Menge kräftiger Kerls schaffen für ihn an, kriechen in seinen Erzminen rum, schuften, was das Zeug hält. Aber das Schärfste kommt noch. Dieser Alberich, der Nibelungenchef, hat Wotans Schmied Mime - das ist der Typ, der sonst immer für Wotan uns seine Götterkumpels arbeitet – ‚nen Tarnhelm abgezockt. Damit hat Alberich jetzt nicht nur diesen mächtigen Ring, sondern ist zu allem Überfluss auch noch schwer zu finden. Mit so nem Tarnhelm kann der sich nämlich nicht nur unsichtbar machen, sondern sogar in alles Mögliche verwandeln. Ideale Sache für Karneval oder den Haushalt. Im Handumdrehen könnten sich meine Kinder in ne Spülmaschine oder nen Staubsauger verwandeln – vollautomatisch, versteht sich. Aber Alberich ist da nicht ganz so kreativ. Erst wird er zur Schlange, dann zur Kröte und diese miese kleine krallen sich dann Wotan und sein Adlatus Loge. Gegen jede Menge Kohle und den Ring setzen die Beiden den Nibelungenchef aber wieder auf freien Fuß – eine totale Fehlentscheidung, wie sich noch rausstellen wird. Aber warum sollten die auch schlauer sein als anderswo die Leute, die am Drücker sind. An derartigen Fehlentscheidungen hat sich ja bis heute wenig geändert. Aber zurück zu unseren Helden...

Alberich hat in der Zwischenzeit den Ring mit einem Fluch behaftet: Jeder, der sich das Ding demnächst an den Finger steckt, soll vernichtet werden. Aber so richtig!

Ist im Grunde auch erst mal okay, denn der Ring soll ja als Lohn an die beiden Bauriesen Fasolt und Fafner gezahlt werden, damit die arme Jugendgöttin Freia nicht in eine Arbeiterfamilie einheiraten muß. Kaum haben die beiden schweren Jungs den Ring, da wirkt auch schon der Fluch: Einer haut dem anderen dermaßen eins auf die Zwölf und sonst wo hin, dass er elend krepiert. Schweinerei, doch wie heißt es so schön: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. In diesem Falle Wotan, unser Göttervater. Die Riesen ist er los, Freia wieder zu Hause und er hat für seine Mischpoke ein schickes Häuschen zum Angeben. Und da ist auch noch die Warnung von Erda, so ner Art Erdmutter, heute würde man wohl Umweltschützerin sagen. Die erinnert den Chef von Walhalla und seinen Götterclub ziemlich eindringlich daran, dass bei der ganzen Hatz nach Geld, Gold und Statussymbolen vor allem eins nicht zu kurz kommen darf: die Liebe, nicht nur die Liebe untereinander, sondern vor allem die Liebe zur Natur. Also Leute, passt ein bisschen auf, wenn Ihr demnächst mal wieder was ins Gewässer oder in den Wald werfen wollt.



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