MarionMarion's Opernkritik
Opernhaus Köln: Giacomo Puccini - La Bohème

von Marion Wolff

 



La Bohème von Giacomo Puccini

Daß ich am liebsten Liebesgeschichten lese, hab ich ja schon erzählt. Und dabei sitze ich gerne in meinem Garten und werd' nebenbei ein bißchen braun. Aber das ist ja in diesem Sommer nicht drin, also, da macht mir meine Freundin, diese Kulturbesessene schon wieder den Vorschlag, mit ihr in die Oper zu kommen. Och, denke ich so mir, das letzte Mal war ja nicht verkehrt, die Sache mit dem Schützenverein. Doch da ist meine Freundin ja fast beleidigt. Diesmal wär´ das 'ne schwer dramatische Angelegenheit, 'ne Liebesgeschichte mit furchtbar traurigem Ausgang. Ich sollte auf jeden Fall ein paar Tempos mitnehmen, man wüsste ja nie. Wir also samstags nachmittags erst mal auf 'nen Kaffee in die City und danach gut gestärkt ab in die Oper.

Kaum fing die Musik an zu spielen, ging da auch schon der Vorhang auf und die Tragik nahm ihren Lauf. Ich hatte nicht mal mehr die Zeit zu husten und die Bonbons wegzustecken....

Es ist wohl Heiligabend. Da sitzen so ein paar selbstgemachte Künstler, ein Dichter und ein Maler, in ihrer Bude und frieren. Klar, ist ja auch nicht einfach so mit der Kunst, vor allem bei der hohen Arbeitslosigkeit, is' nix mit Lappöhrchen, so ein paar Mark nebenbei. Die verbrennen sogar schon ihre Werke, um keine Eiszapfen an ihren Schnupfnasen zu kriegen. Da tauchen plötzlich noch zwei andere Typen auf, ein Philosoph und ein Musiker. Die Philosophen kenn' ich auch, die stehen bei uns am Dom und wollen immer ein bißchen Kleingeld. Die Musiker bieten ja wenigstens noch was dafür, bei denen klappt das dann schon mal besser. Und so ist das auch hier bei diesem Typen namens Schaunard. Der hat sich was nebenbei verdient und bringt seinen Kumpels was zu Schnabulieren mit. Mitten im Gelage wird es plötzlich unangenehm, denn der Vermieter steht auf der Matte und will Kohle sehen. Die Jungs sind aber gar nicht dumm, laden ihren Vermieter einfach ein, machen ihn betrunken, bis der anfängt, mit Weibergeschichten zu prahlen. Daraufhin spielen die Jungs die Moralapostel und werfen das verkommene Subjekt von Vermieter wieder vor die Tür. Drei von den Künstlern, Marcello, Schaunard und Colline gehen noch in die Kneipe nebenan zum Weiterfeiern, Rodolfo, der Dichter, muß aber noch für seine Zeitung was schreiben. Da klopft es plötzlich an der Tür und davor steht 'ne junge Frau, die nach Feuer fragt. Dabei sieht die ziemlich angeschlagen aus, die sollte besser nicht rauchen. Will sie aber auch gar nicht, sondern sie braucht die Flamme um sich 'ne Kerze anzumachen. Statt der Kerze fühlt sich offensichtlich der junge Rodolfo angemacht, aber irgendwie wirken die zwei bei ihrem Flirt n bißchen steif, die sollten mal zu meinen Töchtern kommen, die würden denen schon zeigen, wo's lang geht. Nicht so mit der Tür ins Haus fallen wollen, wie der Typ auf der Bühne das macht. Und diese Mimi, so heißt die junge Frau, ich glaube, die ist hoffnungslos verkitscht. Aber kaum hat man sich an die Vorstellung gewöhnt, da ist man schon wieder mitten in der Hektik. Auf der Bühne hat die ganze Zeit so ein großer Rahmen gestanden mit 'nem roten Vorhang dran. Der öffnet sich und plötzlich geht es dann zu wie auf dem Rummel - und tatsächlich steht da auch so ein Pferdekarussel auf der Bühne. Gut daß ich meine Jüngste nicht dabei hatte, die wäre sicher dahin gerannt. Und die Freunde wandern erst über den Weihnachtsmarkt und kaufen sich Klamotten. Danach geht die ganze Clique noch in ihre Stammkneipe. Da gesellt sich 'ne echt flotte Nummer zu ihnen an den Tisch, 'nen alten Knacker im Schlepptau. Der steile Zahn heißt Musette und ist eigentlich die Freundin von dem jungen Marcello, dem Maler. Aber sie hat sich nebenbei noch so 'nen reichen Verehrer, den Alcindoro, geangelt, der jetzt von der Clique nach Strich und Faden ausgenommen wird. Am Schluß sind alle im Gewühl verschwunden und für Alcindoro ist außer Spesen nix gewesen. So ging es meinem Freund Eduard damals auch. Wir haben ihn ja vor der Karin gewarnt, aber er wollte nicht hören. Die dummen Alten, da kann man wirklich sagen, je oller, je doller.

In der Zwischenzeit haben Marcello und Musette Arbeit in einer Kneipe gefunden. Mimi kommt vorbei und es geht ihr echt dreckig. Obwohl sie so schwindsüchtig ist, kann sie aber noch ganz ordentlich singen. Sie erzählt, daß Rodolfo ihr eine fürchterliche Eifersuchtsszene gemacht habe und jetzt sei Schluß. Doch Rodolfo ist ausgerechnet bei seinen Kumpels untergekrochen, aber nicht, weil er eifersüchtig ist, sondern weil er nicht damit fertig wird, daß seine Freundin unheilbar krank ist. Das ist natürlich verdammt traurig, vor allem für die arme Mimi, die heimlich mitanhört, wie Rodolfo sich bei Marcello ausheult. Doch das Mädel ist wirklich tapfer, sie geht zu ihrem Liebsten hin und spricht sich mit ihm aus. Der hat zwar mehr Angst als Vaterlandsliebe, aber irgendwie scheinen sich die zwei wieder zu vertragen. Dafür fliegen jetzt zwischen Musette und Marcello wieder mal die Fetzen.

Das Ende naht und plötzlich ist alles gar nicht mehr so lustig. Auch die wunderschön gespielte Musik von Puccini kann da nicht drüberweg täuschen, obwohl das Gürzenich-Orchester und sein Dirigent Peter Erckens unglaublich toll gespielt haben. Aber die Ganze Geschichte ist nun mal ein einziges Auf und Ab. So stehen Rodolfo und Marcello mal wieder alleine da und sind total am Ende. Musette ist wieder mit 'nen reichen Lover unterwegs, Mimi soll angeblich auch das große Los gezogen haben. Da kommen Colline und Schaunard mit was zu Essen und zu Trinken vorbei und die vier lassen eine ihrer berühmten Parties steigen. Wirkt aber ziemlich unecht, das Ganze. Mitten in der Party dann der große Schreck: Musette kommt und Mimi noch dazu. Der geht es mittlerweile so schlecht, die macht es nicht mehr lange. Plötzlich sind alle total aufgeregt und versuchen, noch irgendwas für die arme Mimi zu tun. Also, was jetzt kommt, das find ich wirklich ziemlich hart, nicht so wie in meinen Liebesromanen. Die haben ja immer noch ein Happyend. Aber da, das hat mich ganz schön betroffen gemacht. Fast hätte ich losgeheult, genau wie damals bei Lovestory im Kino. Den Typen da auf der Bühne geht das Sterben von der armen Mimi ganz schön unter die Haut und dementsprechend reagieren die ziemlich bescheuert. Das Größte ist echt am Ende, Mimi hängt sterbend auf 'nem Stuhl und der bescheuerte Rodolfo rennt einfach weg. Und auch die anderen - tschüß und weg sind sie. Das hat mich echt wütend gemacht, da hilft es auch nix, wenn meine Freundin sagt, ist doch alles nur Theater. Aber ist es das wirklich?


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