Das größte Mauseloch der Welt befindet sich in Cornwall, ein paar Kilometer vor Land's End: "Mousehole" heißt der Ort, und natürlich gibt es da Mäuse - Souvenir-Kitsch in allen Variationen. Das einzige Maus-Museum "nördlich des Südpols"* findet man in Glessen. Wo liegt Glessen? In Bergheim, nach Meinung vieler Kölner also fast am Ende der Welt. 1975 eröffnete der Nuklearmediziner und Schriftsteller ("Tiefgang, der Mäusephilosoph") Prof. Dr. Gynter Mödder sein "Mauseum" - "erstes und bedeutendstes Mauseum nördlich des Südpols". Kollegen des Arztes sammeln Antiquitäten oder Andy Warhol; Gynter Mödder sammelt Mäuse. Und zwar nicht mit Katalog und Preisliste. Für ihn spielt der Erinnerungswert die größte Rolle, denn zu jeder seiner Mäuse gibt es eine Geschichte zu erzählen.
Die Sammelleidenschaft begann während einer Reise nach Florenz. Förmlich erschlagen von den gewaltigen Schätzen europäischer Kultur, fühlt man sich selber wie ein kleines Mäuschen. Und so fing alles an. In den Souvenirläden gab es Mäuse aus Murano-Glas. Mit ihnen wurde der Grundstock für die Sammlung gelegt. Inzwischen umfaßt die Mäusekollektion über 3.000 Exemplare aus den unterschiedlichsten Materialien. Eine der kleinsten Mäuse besteht aus einem Apfelkern mit Fädchen als Schwanz. Die größten Mäuse sind sogenannte Flugmäuse, die die Frau des Sammlers (sie ist Malerin) geschaffen hat; eine solche Flugmaus dient als "Wettermaus" auf dem Dach des Mauseumsgebäudes, das eigens für die Sammlung konzipiert wurde. Eine Flugmaus ist in der Mäusewelt etwa das, was ein Engel in unserer Welt ist. Sie braucht sich nicht im Mauseloch zu verkriechen. Ihr kann keine Katze folgen. Das ist sehr wichtig, denn Gynter Mödder besitzt neben seinen unzähligen Mäusen auch zwei (lebende) Katzen. Schließlich sammeln die ebenfalls Mäuse. Lebende Mäuse hält er nicht. Das war früher einmal anders. Für seine Habilitation wurden zahlreiche Mäuse als Versuchstiere geopfert: "Damals war ich noch Verbrecher", bekennt der Mediziner. Heute lehnt er Tierversuche ab. Und so ist das Mauseum vielleicht sogar eine Art Rehabilitation.
Mödders Mäuse stammen aus aller Herren Länder. Auf einer Weltkarte sind die Herkunftsorte der Mäuse mit Stecknadeln markiert. Dabei wird zwischen Eigenerwerbungen (rote Nadeln) und Stiftungen (blaue Nadeln) genau unterschieden. Selbstverständlich sind auch die Namen der Stifter, Leihgeber und Künstler auf einer Tafel verewigt, wie sich das für ein ordentliches Museum gehört. Zu den Künstlern gehören viele Kinder, zumeist Patienten des Arztes. Die Kinderzeichnungen sind ihm oft die liebsten Stücke und werden deshalb mindestens genauso liebevoll präsentiert wie die "echten" Kunstwerke, von denen es natürlich auch einige gibt. Der jüngste Stifter eines Maus-Objekts heißt Juanito. Bei einer Forschungsreise des Mauseumsdirektors nach Guatemala mußte sich der Säugling von seinem Mäuseschnuller trennen. Angeblich wurde dabei keine Gewalt ausgeübt. Der Kommentar des Stifters ist allerdings nicht überliefert. In Disneyworld entdeckte Mödder eine Mäusespieluhr. Auch eine gewöhnliche Wollmaus (von der Art, die unter Sofas und Schränken haust) gehört zur Sammlung. Selbstverständlich sind auch zahlreiche Fachbücher (z. B. Günter Grass, "Katz und Maus"), Fachzeitschriften ("Micky Maus") und Bilder mit Maus-Motiven vertreten.
Der Maus ist nichts Menschliches fremd. So gibt es eine vom Sammler selbst gestaltete Mäusekrippe, und kleine Dioramen zeigen u.a. das Strandleben der Mäuse. Das Mauseum verfügt außerdem noch über ein Schreckenskabinett. Es zeigt Mausefallen, Mäusefresser (Schlangen) und Versuchsanordnungen für Labormäuse.
Das Mauseum ist sicherlich das lustigste Museum im Kölner Raum, wobei man den Begriff "Museum" in diesem Falle nicht allzu ernst nehmen sollte. Schließlich bezeichnet es der "Herr der Mäuse" persönlich auch eher als ein "Anti-Museum". Man darf eben nicht das erwarten, was (leider) für die meisten Museen der heutigen Zeit so typisch ist: sterile Glasvitrinen, karge Beschriftungen, nüchterne Informationen zur Entstehung oder Entwicklung des dargestellten Gegenstandes. Wer erwartet, hier etwas über das Leben und die Entwicklung "echter" Mäuse zu finden, der ist fehl am Platze und sollte lieber den Zoo oder ein naturkundliches Museum aufsuchen. Es gibt auch keinen überblick über die Maus in Kunst und Kultur. Das Mauseum ist ein Museum der Phantasie. Es zeigt, daß materieller und ideeller Wert oft meilenweit auseinanderliegen und daß es sich lohnt, seiner eigenen, ganz privaten Spinnerei nachzugehen, egal, was der Rest der Menschheit dazu sagt. Und so ist es ein Museum, das eigentlich alle Menschen ansprechen kann, Erwachsene und Kinder, vorausgesetzt, sie tragen selber noch ein kleines Fünkchen Verrücktheit in sich. Das Mauseum ist mittlerweile weltberühmt. Sogar die "Sendung mit der Maus" berichtete schon darüber. Wer es besichtigen will, muß einen Termin mit dem Mauseumsdirektor vereinbaren. Aus die Maus.
aus: Yvonne und Thomas Plum: Kunst, Kakao und Karneval - was Museen in und um Köln zeigen. J.P. Bachem Verlag. Köln 1995
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